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Eine kleine Hausgeschichte

Das Haus am Kirchenplatz 3 hat eine lange und bewegte Geschichte.
Es diente über Jahrhunderte als Schulgebäude und beherbergte von 1970 bis 2011 das Webereimuseum Haslach. Die Eröffnung des Gesundheitszentrums 2018 setzte einen historischen Meilenstein in der Bau- und Nutzungsgeschichte des imposanten Gebäudes am Haslacher Kirchenplatz. Es schreibt seine lange Tradition als Anlaufstelle für wesentliche Belange der Öffentlichkeit weiter und setzt im Herzen des Orts einen wichtigen Impuls für die Zukunft.

Die Ursprünge des Hauses am Kirchenplatz sind weitgehend unbekannt, genauso fehlen zuverlässige Angaben darüber, ab wann es in Haslach eine Schule gab. Einer Urkunde aus dem Jahr 1373 zu Folge bestand jedoch zu dieser Zeit bereits eine „Trivialschule“, die in dem Gebäude am Kirchenplatz untergebracht war. Der Schulmeister diente zugleich als Mesner. Er konnte die Schule nur durch seine Einnahmen aus dem kirchlichen Dienst und durch Spenden der Gemeinde finanzieren. Lange Zeit war die Schule ein einstöckiges Haus mit zwei großen Klassenräumen. 1427 brannte das Haus beim Angriff durch die Hussiten nieder, wurde aber wieder aufgebaut. 1620 folgte der Anbau des nördlichen Trakts. An der Ostseite des Hauses gab es zu dieser Zeit einen Garten, an den sich der Friedhof anschloss.

Nach Einführung der Allgemeinen Schulpflicht 1774, übernahm ab 1789 das Stift Schlägl das Patronat der Schule, das Gebäude blieb aber im Besitz der Gemeinde Haslach. Immer wieder zerstörten Brände das Haus fast voll-ständig. Nach dem letzten Wiederaufbau wurde das Schulhaus 1874 aufgestockt. Es entstanden zwei weitere Klassenzimmer, außerdem wurden ein Lehrmittelzimmer und eine Lehrerwohnung geschaffen. Die Schüleranzahl war beträchtlich: In der 1. Klasse drückten 153 Kinder gemeinsam die Schulbank, in der 2. Klasse 113 Kinder, in der 3. Klasse 102 Kinder. Zusätzlich gab es in der sogenannten Sonntagsschule noch weitere 55 Schülerinnen und Schüler.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Altes Volksschulgebäude und Klassenfotos, ca. 1900 – 1950

Neue Pflasterung am Kirchenplatz, ca. 1930 ?

Da in den folgenden Jahrzehnten die Schulpflicht nach und nach verlängert wurde und immer mehr Klassenzimmer nötig waren, erweiterte man das Schulhaus 1878 ein weiteres Mal, diesmal nach Süden hin, sodass es in etwa die uns heute bekannte Silhouette erhielt. Die Zeit der Weltkriege erschütterte auch den Schulalltag in seinen Grundfesten, insbesondere der zweite Weltkrieg. Im Herbst 1944 mussten die Klassen zum ersten Mal für zwei Monate geräumt werden, um 224 deutschstämmigen Flüchtlingen aus dem Südosten Platz zu machen. Nach kurzer Wiederaufnahme des Unterrichts  wurde ab Ende Jänner 1945 erneut eine Schulsperre verhängt. Diesmal quartierte man zuerst Mannschaften der ungarischen Wehrmacht mit ihren Familien in den Klassenzimmern ein, nach Kriegsende gefolgt von amerikanischen Soldaten, bis schließlich – während der russischen Besatzungszeit – Soldaten der Roten Armee das Haus in Anspruch nahmen. Bruchstückhaft wurde der Unterricht in Gasthäusern bzw. in der Webereifachschule unter widrigen Bedingungen fortgeführt. Als am 5. Juni 1946 die russischen Besatzer auszogen und das Gebäude endlich wieder frei wurde, musste es gründlich renoviert werden, sodass im September 1946 der Unterricht am Kirchenplatz wieder aufgenommen werden konnte. Es mangelte an allen Ecken und Enden, Hefte und Bücher waren so gut wie nicht erhältlich und auch der gesundheitliche Zustand der Kinder war über Jahre schlecht. Erst ab 1949/50 entspannte sich die Lage und schrittweise konnten verschiedene Schulreformen eingeleitet werden.

Nachdem für Haslach eine Hauptschule bewilligt wurde und diese 1956 in das neu errichtete Schulgebäude in der Sternwaldstrasse einzog, besserte sich die beengte Raumsituation in der Volksschule. Bald musste man allerdings feststellen, dass das alte Gebäude mittlerweile beträchtliche Bauschäden aufwies. In manchen Klassen musste die Decke bereits mit Pflötzen gesichert werden und die Unfallgefahr wurde immer größer. Nach Inspektion durch eine Landesregierungskommission aus Linz entschied man sich gegen eine kostenintensive Renovierung des Hauses. Stattdessen wurde die Errichtung eines neuen Volksschulgebäudes auf der Rebenleiten bewilligt, das 1962 feierlich eröffnet werden konnte.


„Notklasse“ mit gepflötzter Decke, 1961/62

Nach der Übersiedlung der Volkschule ins neue Gebäude sollte die ehemalige Bleibe nicht lange leer stehen. Bereits 1962 kam im Haslacher Heimatverein unter der Obmannschaft von Oberschulrat Hermann Mathie die Idee auf, ein eigenes Fachmuseum für Weberei zu gründen und damit dem Thema, das für die Geschichte und Identität Haslachs von großer Bedeutung ist, im ehemaligen Schulgebäude einen würdigen Platz zu verleihen. Durch das Engagement von Vereinsmitgliedern, Webern und Bürgermeister Schmiedinger gelang es, die Kulturabteilung des Landes Oberösterreich von dem Projekt zu überzeugen. Diese beauftragte DI Karl-Heinz Hattinger mit der Sanierung des Gebäudes und der Adaptierung der Ausstellungsräume, was zwischen 1965 und 1969 über die Bühne ging.

In der Zwischenzeit wurden von den Mitgliedern des Heimatvereins im ganzen Oberen Mühlviertel diverse Webstühle, Flachsgerätschaften und andere interessante Objekte für die museale Präsentation zusammengetragen, sodass sich – gemeinsam mit den bereits vorhandenen facheinschlägigen Exponaten aus dem Heimathaus – rasch eine überregional bedeutsame Sammlung entwickelte.

Am 14. Juni 1970 war es dann soweit: Das modern ausgestattete Webereimuseum Haslach konnte im Zuge eines großen Heimatfests und eines feierlichen Festakts von Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner eröffnet werden. Es zog in den darauf folgenden Jahrzehnten Tausende Besucherinnen und Besucher an und machte Haslach als Museumsort weithin bekannt.

 

 

 

 

Als nach ca. 40 Jahren erfolgreicher Museumsarbeit erneut umfangreiche Sanierungsmaßnahmen am Gebäude notwenig gewesen wären und die Zukunft des Heimatvereins auf unsicheren Beinen stand, wurde das Webereimuseum 2012 schließlich an einen neuen Standort übersiedelt: Im neu revitalisierten Areal der ehemaligen Webereien Vonwiller und Obermüller entstand das ideale Ambiente, um das Thema auf neue Art und Weise zu präsentieren. Unter der Trägerschaft des Vereins Kultur in der Fabrik wird das traditionsreiche Museum nun in zeitgemäßer Form weitergeführt und ist im Kontext des Textile Zentrum Haslach in ein Gesamtgefüge aus Produktion, Ausbildung, moderner Textilkunst und Museum eingebettet.

Es ist dem ausdauernden Einsatz von Dr. Erwin Rebhandl und Bürgermeister Dominik Reisinger zu verdanken, dass das visionäre Projekt, das traditionsreiche Haus am Kirchenplatz künftig als multifunktionales Gesundheitszentrum zu nutzen, ab 2016 Realität wurde. Mit der behutsamen Renovierung und Modernisierung des Gebäudes durch das Architekturbüro Arkade wurde der Grundstein für die weiterbestehende öffentliche Nutzung in der Zukunft gelegt und der Charakter des historischen Gebäudes mit seiner bewegten Geschichte gewahrt.

Das neu eröffnete Webereimuseum 1970

Umgestalltung der alten Volksschule zum Webereimuseum, 1965 – 1969

 

 

 

Innenansichten des Webereimuseums: 1970 bis 2011

 

 

 

 

 

 

 

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