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Melatoninpräparate gegen Schlafstörungen sind vielbeworben – Was ist dran?

Melatonin bei Schlafstörungen? Frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel mit dem Hormon werden als Einschlafhilfe beworben, sind aber kein Allheilmittel bei Schlafstörungen. Medikamente mit dem Schlafhormon werden nur bei bestimmten Störungen des Schlafrhythmus verordnet. Auf jeden Fall sollte man mit der Hausärztin oder dem Hausarzt besprechen, ob die Einnahme von Melatonin im eigenen Fall sinnvoll ist.

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das an der Regulation des Schlaf-Wachrhythmus und des Blutdrucks sowie bei der Immunabwehr beteiligt ist. Gebildet wird es in der Zirbeldrüse im Gehirn aus dem Glückshormon Serotonin, das wiederum aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt wird. Geringe Mengen Melatonin werden auch in der Netzhaut und im Darm produziert. Je nach Lichtintensität wird mehr oder weniger Melatonin gebildet und schwankt somit auch im Tagesverlauf. Tagsüber bleibt der Spiegel gering, abends, wenn es dunkel wird, wird das Hormon vermehrt gebildet, man wird daraufhin müde, Blutdruck und Körpertemperatur sinken, nachts im Tiefschlaf erreicht der Spiegel den Höhepunkt, morgens, sobald es heller wird, sinkt er wieder, gleichzeitig wird mehr Cortisol gebildet, das uns wieder wach und aktiv sein lässt. Bei jedem Menschen nimmt die Melatoninproduktion mit dem Alter ab, dieser Prozess beginnt schon mit 25 Jahren.

Unter verschiedenen Umständen gerät die innere Uhr durcheinander, erhöht oder verringert den Melatoninspiegel.

Ursachen zu hohen Melatoninspiegels:

  • Lange dunkle Phasen in Herbst und Winter
  • Antidepressiva
  • Einnahme zu großer Mengen an Melatonin
  • Hochdosierte Therapie mit Vitamin B3 und B6
  • Schwangerschaft

Ursachen zu niedrigen Melatoninspiegels mit Schlafproblemen:

  • Zuviel künstliches Bildschirmlicht bis zum Schlafengehen etwa durch Fernseher, Handy und Computer. Mittlerweile sind sich Experten nicht mehr sicher, ob das blaue Licht von Bildschirmen vor dem Zu-Bett-Gehen den Schlaf stört oder ob es dabei eher auf die Helligkeit der Schirme ankommt. So oder so, auf jeden Fall sollte man eine Stunde vor dem Schlafengehen auf TV und Bildschirme verzichten. Das gilt für Kinder/Jugendliche wie für Erwachsene. Nur so kann das Gehirn in den Nachtmodus umschalten.
  • Verringerter Serotonin-Spiegel
  • Einnahme von bestimmten Medikamenten wie etwa Beta-Blocker, Schmerzmittel aus der NSAR-Gruppe (Ibuprofen, Aspirin) oder Kortison
  • Tabak, Alkohol und Koffein am Abend. Alkohol betäubt und erleichtert das Einschlafen, hemmt aber die Melatoninproduktion und stört das Durchschlafen.
  • Schichtarbeit, Jet-Lag: Das Fliegen durch mehrere Zeitzonen bringt den Schlaf-Wachrhythmus durcheinander, der Körper braucht Zeit zum Umstellen, was zu kurzfristigen Schlafproblemen sowie Müdigkeit und Kopfschmerzen am Tag führen kann. Besonders störend sind Flügen in den Osten (Asien, Australien). Schichtarbeit wird als sozialer Jetlag bezeichnet und der Körper gewöhnt sich daran, tagsüber Melatonin zu produzieren. Das kann nicht nur zu gestörtem Schlaf, sondern auch zu anderen gesundheitlichen Problemen wie etwa Magenprobleme, innere Unruhe, Nervosität etc. führen.
  • Stress und/oder intensiver Sport am Abend: Das Stresshormon Cortisol ist der Gegenspieler von Melatonin und wird auch beim Sport vermehrt ausgeschüttet. Es aktiviert bzw. alarmiert den Körper anstatt ihn in den Ruhemodus zu versetzen.

Für bestimmte Fälle zugelassene Medikamente

Die Studienlage ergibt kein einheitliches Bild, was die Wirksamkeit einer Melatonin-Gabe bei Schlafstörungen betrifft. Wenn, dann hat sie subjektiv die Einschlafzeit verkürzt und zum Teil die Schlafqualität verbessert. In Österreich sind verschreibungspflichtige Medikamente mit Melatonin (Retard-Tabletten mit 2g pro Tablette) für folgende Indikationen zugelassen:

  • Schlafstörungen von Menschen ab 55 Jahren, wenn die Ärztin/der Arzt körperliche und psychiatrische Ursachen ausschließen kann. Einnahme soll nur kurzfristig (maximal 13 Wochen) sein, obwohl Melatoninpräparate nicht süchtig machen. Die Tablette wird ein, zwei Stunden vor dem Schlafengehen genommen. Tablette im Ganzen schlucken!
  • Bei Schlafstörungen von Minderjährigen mit einer Autismus-Spektrum-Störung oder einer seltenen Erbkrankheit (Smith-Magenis-Syndrom). Das Mittel wird nur verschrieben, wenn andere Maßnahmen zur Schlafhygiene nichts gebracht haben.

Im Handel sind daneben zahlreiche frei verkäufliche Präparate/Nahrungsergänzungsmittel mit maximal 1 mg Melatonin pro Tablette/Kapsel erhältlich. Laut Europäischer Lebensmittelbehörde (EFSA), dürfen Hersteller nur mit zwei bestätigten Wirkungen für diese Produkte werben:

  1. Melatonin trägt zur Linderung des subjektiven Jetlag-Gefühls bei.
  2. Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen.

Experten warnen davor, gesunden Kindern Melatonin als Einschlafhilfe zu geben und empfehlen jedem und jeder sich vor der Einnahme von solchen Präparaten mit der Hausärztin/dem Hausarzt zu beraten, weil eventuell Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten können. Epileptikern und Diabetikern vom Typ 1 sowie Schwangeren wird von der Einnahme abgeraten.

Bei zu hoher Dosierung oder wenn es nicht vertragen wird, kann ein Melatonin-Präparat auch zu Nebenwirkungen wie Verdauungsstörungen, Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen etc. führen.

Tipps zur Verbesserung des Melatonin-Haushalts

Hier ein paar Empfehlungen, wie man die Melatoninproduktion ankurbeln und somit gesunden Schlaf fördern kann:

  • Immer zur selben Zeit aufstehen und ins Bett gehen
  • Schlafzimmer soll gut abgedunkelt sein
  • Kein Handy, Laptop, sprich heller Bildschirm, vor dem Schlafengehen
  • Tagsüber raus in die Natur und viel Bewegung bei Tageslicht. Wer unter einer saisonal abhängigen Depression (Winterdepression) leidet, kann mit Lichttherapie mit einer Tageslichtlampe den Schlaf-Wachrhythmus unterstützen. Untertags etwa 30 Minuten neben der Lampe sitzen, so wird die Melatoninausschüttung gehemmt und mehr Serotonin gebildet.
  • Abends Kost mit Tryptophan essen wie etwa Parmesan, Emmentaler, Vollkorngetreide, Fisch, Ei, Linsen, Bohnen.

Geringe Mengen von Melatonin sind zum Beispiel in Bananen, Nüssen, Tomaten enthalten.

Fazit: Melatonin ist nicht als Allheilmittel bei allen Schlafstörungen anzusehen. Schlaf ist ein komplexer Prozess, bei dem körperliche und seelische Faktoren sowie äußere Umstände wie Raumtemperatur, Lärm, Licht etc. eine Rolle spielen.

 

 

Fotos: freepik

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